Mit dem Deutz-Diesel über die OHE

Ein Fotorückblick von Jan Borchers (Bahnfotokiste)

Die Osthannoversche Eisenbahnen AG (OHE) betreibt bis heute ein 294 Kilometer langes Streckennetz im nordöstlichen Niedersachsen. Bis zur Privatisierung 2007 ein landeseigenes bzw. kommunales Eisenbahnverkehrsunternehmen, befindet sich die OHE heute überwiegend im Eigentum der Netinera Bachstein GmbH, die über ein Firmengeflecht eine Tochter der Ferrovie dello Stato Italiane (FS), der italienischen Staatseisenbahn ist. Nur rund 15% der Anteile befinden sich noch in kommunalem Eigentum.

Der Fahrbetrieb der OHE wurde zum 30. September 2016 aufgegeben, die Fahrzeuge wechselten zur Havelländische Eisenbahn AG (HVLE), es verblieb nur noch die Infrastruktursparte bei der OHE. Lange war es unsicher, wie es mit den Strecken der OHE weitergehen würde, da auf praktisch allen OHE-Strecken nur gelegentlich Güterverkehr stattfand – den Personenverkehr gab die OHE schon 1977 auf. Aktuell stehen die Zeichen auf Sanierung des OHE-Netzes, aktuell wird die „Gebirgsbahn“ Lüneburg Süd – Soltau modernisiert.

Mit dem Verein Arbeitsgemeinschaft Verkehrsfreunde Lüneburg e.V. (AVL) ist in Lüneburg ein agiler Verein ansässig, welcher seit Jahrzehnten u.a. den „HEIDE-EXPRESS“ betreibt. Bei der AVL ist ein repräsentativer Bestand an OHE-Fahrzeugen erhalten geblieben, so unter anderem auch die frühere OHE-Lok 230 41 (57201/61) vom Typ Deutz KS 230 B. Die 1961 in Dienst gestellte Lok blieb bis 2011 im Bestand der OHE, ehe sie an privat verkauft wurde und nach umfangreicher Restaurierung und Rückversetzung in den annähernden Lieferzustand nun bei der AVL zum Einsatz kommt. Die letzte Hauptuntersuchung wurde im Juni 2013 abgeschlossen, so dass der Fristablauf der Lok nun kurz bevorsteht und vor der absehbaren Einsatzpause mit der Lok nochmals ein historischer Güterzug über das bisher nur wenig modernisierte OHE-Netz verkehren sollte. Ausgewählt wurde die Strecke von Soltau über Beckedorf nach Munster(Örtze) – im Juni 2020 hatte die AVL bereits einmal zur Fotofahrt geladen, damals auf der vereinseigenen Strecke von Lüneburg nach Bleckede mit der MaK-Lok 46-01 der AVL.

Hier fährt der Zug in den Bf Wietzendorf ein. Im Empfangsgebäude ist das örtliche Stellwerk der 1969/70 in Betrieb genommenen Fernsteuerstrecke Celle – Soltau untergebracht. Die Ladestraße hat schon bessere Tage gesehen, die Bahnhofsgleise werden wie in praktisch allen Bahnhöfen zum Parken von überzähligen Güterwagen, meist Containertragwagen, genutzt.

Bahnhofsgebäude Bergen mit Stellwerk. In ihren guten Jahren hat die OHE ihre Strecken aufwendig ausgestaltet – wer würde heute auf die Idee kommen, ein Stationsschild mit den Initialen des Unternehmens herstellen zu lassen?

Die 230 41 durchfährt den Bahnhof mit dem früher zwischen umfangreichen Gleisanlagen liegenden Bahnhofsgebäude, rechts die nicht mehr nutzbare Laderampe.

Einfahrt aus Soltau in den Bf Beckedorf, in dem sich die Strecken nach Munster und Celle trennen.

Einfahrt in den Bahnhof Dethlingen. Einige Jahre war das Gütergleis in Dethlingen nur noch einseitig angebunden, jüngst wurde das Gleis auch auf der hier zu sehenden südlichen Seite wieder angeschlossen.

Stilleben an der 230 41, das nahende (vorläufige) Einsatzende ist abzulesen.

Klassische Form des Deutz B-Kupplers, wie er in etwas geringerer Breite auch für die Hamburger U-Bahn in Form von sieben Loks vom Typ DL1 gebaut wurde.

Im DB-Bahnhof Munster (Örtze) lief die 230 41 um und startete mit dem Motorvorbau voran die Rückfahrt über rund die rund 55 Kilometer OHE-Eisenbahnstrecke in Richtung Soltau – über DB wären es nur 18 Kilometer und mit dem erixx 15 Minuten Fahrt, aber die Reise ist das Ziel…
Die 230 41 hat den früheren, militärisch bedeutsamen Bahnhof Kohlenbissen verlassen und quert den Bü Kohlenbissener Straße.

Am früheren Bahnhof Oerrel liegt dieser einsame Feldwegübergang mitten im Wald.
Leider blieb der Tag weitgehend trübe, das Motiv mit Sonne und der Heideblüte im Spätsommer. Aber man soll ja nie nie sagen…

Die OHE-Strecken leben zu einem guten Teil von Militärtransporten der Bundeswehr. Im Bahnhof Trauen verlädt die Bundeswehr regelmäßig ihre Panzer, die am Sonntag auch unüberhörbar im Einsatz waren. Die 230 41 wurde im Bahnhof Trauen real im Güterverkehr tätig, die AVL rangieren bei Bedarf auch Wagen des normalen Güterwagenaufkommens. Ein vierachsiger Rungenwagen war aus der Schlange der Panzertransportwagen heraus zu rangieren und sollte nach Beckedorf gebracht werden. Der Wagen ist ganz rechts im Bild bereits ausrangiert, die 230 41 setzt in Kürze mit ihrem Zug zur Weiterfahrt an den Wagen.

Dass die Bahnhofsgleise entlang der OHE gut mit Güterwagen belegt sind, ist hier anschaulich zu sehen, als 230 41 den Bahnhof Poitzen erreicht. Das Bahnhofsgebäude wird inzwischen als Restaurant genutzt.

Einen „lichten Moment“ gab es dann doch während der Tour. Im Bahnhof Poitzen wurde es zunehmend heller und die Sonne brach für einen kurzen Moment durch die Wolken. Das Motiv wird in dieser Form in wenigen Jahren nicht mehr möglich sein, im Vordergrund ist eine Reihe frisch gepflanzter Bäume zu sehen.

Die 230 41 erreicht Baven und passiert den Bahnübergang Zur Brunau.

Alte landwirtschaftliche Geräte sind am früheren Haltepunkt Baven ausgestellt, der hier passiert wird.

In Beckedorf sind die laufenden Arbeiten zur Sanierung der OHE zu sehen, hier werden aktuell die Weichen erneuert. Die 230 41 passiert die frisch eingebauten und noch verlaschten Weichen. Rechts die Ausfahrt gen Celle, baubedingt von der Seite nach Munster nicht erreichbar.

Loks auf Straßeninseln gibt es ja gelegentlich zu sehen, dann sind es meist Kreisverkehre und die Lok eine Denkmallok. In Bergen quert die OHE die auf den ersten Blick unübersichtliche Straßenkreuzung an der Hermannsburger Straße. Im Hintergrund rechts das Bahnhofsgebäude Bergen mit Stellwerk.

Bewohnt ist bis heute der Bahnhof Wietzendorf, den die 230 41 am Vormittag in entgegengesetzer Richtung bereits einmal durchfahren hatte. Die Bewohnerin schaut dem ungewöhnlichen Treiben – auf diesem Abschnitt verkehren nur selten Züge, der Militärverkehr fährt von Trauen in der Regel über Celle oder Munster zu seinen Zielen – interessiert zu.

Rückkehr nach rund neun Stunden. 230 41 fährt mit ihrem Zug in den Bahnhof Soltau Süd ein.

Den Aktiven der AVL mein herzlicher Dank für die engagierte und unkomplizierte Durchführung der Fahrt.