VT 0508

Status: im Einsatz     letzte Untersuchung: 24.04.2018

Der Triebwagen der Bauform A wurde 1937 durch das Landeskleinbahnamt der Provinz Hannover bei der Waggonfabrik Wismar bestellt und mit der Fabriknummer 20299 am 13. Dezember desselben Jahres an die Kleinbahn Winsen – Evendorf – Hützel (WEH) als T 3 ausgeliefert.

Die Waggonbaufabrik Wismar legte bei der Konstruktion in den 1930er Jahren großen Wert darauf, dass die Fahrzeuge preiswert zu beschaffen und kostengünstig im Betrieb sind. Dies wurde u.a. erreicht, indem Serienteile aus dem Kraftfahrzeugbau Verwendung fanden, was auch die Ersatzteilbeschaffung erheblich vereinfachte. Motoren und Getriebe wurden aus der LKW-Fertigung entnommen, wobei allerdings auf ein Wendegetriebe verzichtet wurde. Um dennoch in beide Richtungen fahren zu können verbaute die Waggonfabrik an jedem Fahrzeugende einen Benzinmotor von Ford, von denen jeder für den Antrieb in eine Fahrtrichtung sorgte. Der Motor trieb dabei jeweils den vorderen Radsatz an. Für den Fahrtrichtungswechsel war es daher nötig den Motor abzustellen, das zugehörige Getriebe in Leerlauf zu stellen und den anderen Motor zu starten.

Die Wismarer Schienenbusse erhielten durch die Motorvorbauten, welche ebenfalls bei Ford für LKWs verwendet wurden, ein markantes, unverwechselbares Gesicht. Weitläufig sind die Triebwagen unter dem Spitznamen „Schweineschnäutzchen“ bekannt, in der Heide etablierte sich allerdings der Spitzname „Ameisenbär“.

Mit der am 10. Juli 1944 erfolgten Fusion mehrerer Kleinbahnen zur Osthannoversche Eisenbahnen AG kam das Fahrzeug zur OHE und wurde fortan als VT 00508 bezeichnet. Außerdem wechselten mit den Triebwagen VT 00506 (SK 1, Bauart B, WEH), VT 00507 (SK 2, Bauart B, WHE) und VT 00509 (SK 2, Bauart C, Bleckeder Kleinbahn) drei weitere Wismarer Schienenbusse mit Motorvorbauten zur OHE. Bei allen Triebwagen entfiel später die erste 0 und sie wurden fortan als VT 0506 - VT 0509 bezeichnet.

Nach Ausmusterung der Triebwagen Mitte der 1960er Jahre wurde der Fahrzeugkasten des VT 0506 in Celle Vorstadt als Aufenthaltsraum bei einem Schrotthändler weiter genutzt und der des VT 0507 fand in Bleckede als Gartenlaube weitere Verwendung, bis ihn 1985 ein Privatmann aus Varel kaufte. Der VT 0509 wurde 1965 an Eisenbahnfreunde aus Hamburg verkauft, welche 1968 den Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V. (VVM) gründeten. Heute befindet sich der Triebwagen bei der Museumsbahn Schönberger Strand.

Unser VT 0508 hingegen verblieb im Einsatzbestand der OHE. Ab 1973 begann seine neue Karriere bei Ausflugsfahrten, welche hauptsächlich durch den Verkehrsverein Soltau organisiert wurden, und bei Charterfahrten. Zunächst wurden die Strecken nach Wietzendorf und Neuenkirchen befahren, aber bereits wenige Jahre später waren Hützel und Döhle die neuen Ziele. Die Fahrten nach Döhle, mitten in die Lüneburger Heide, wurden so gut angenommen, dass der Ameisenbär oft bis auf den letzten Platz ausgelastet war. Auf den Tragkörben, links und rechts der Motoren, wurden dabei auch viele Fahrräder transportiert.

Der VT 0508 erfuhr im Laufe der Jahre verschiedene Veränderungen, so wurden die Frontfenster ersetzt und sind seither gummigefasst. Anfang der 1960er Jahre entfiel der Dachgepäckträger samt Aufstiegsleitern.

Durch den ungebrochen regen Einsatz des Triebwagens und der damit verbundenen hohen Laufleistung wurden die alten Motoren stark beansprucht. Es gab daher bereits Anfang der 1980er Jahre die Idee die Motoren durch Dieselmotoren von Deutz zu ersetzen, was jedoch nicht umgesetzt wurde. Ende der 1990er Jahre bereitete die Ersatzteilversorgung der Motoren immer größere Probleme, sodass das EAW Bleckede 1999 einen Motor gegen einen Dieselmotor von Mercedes Benz tauschte. Aus Gewichtsgründen verblieb der nun ungenutzte Ford-Motor im anderen Vorbau.

Da nun ein Dieselmotor verbaut war, änderte sich die Bezeichnung in DT 0508, seit 2005 war aus historischen Gründen allerdings wieder VT 508 angeschrieben. Mit dem neuen Motor wurde auch ein Wendegetriebe eingebaut, wodurch sie die Achsfolge von AA in 1A änderte.

Ab Anfang 2012 übernahm die erixx GmbH die Vermarktung des Ameisenbären, führt die Tradition der Ausflugsfahrten nach Döhle weiter. Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 und der verlorene Verkehrsvertrag von erixx sorgten dafür, dass der Ameisenbär seit 2020 still stand. Da weder erixx noch die OHE den VT 0508 weiter betreiben wollten oder konnten, sollte er zeitnah verkauft werden. Für uns bot sich daher ein kleines Zeitfenster den Ameisenbären zu kaufen und damit den Verbleib und den Einsatz auf den angestammten Strecken in der Lüneburger Heide sicher zu stellen.

Am 17. Februar 2022 war es dann so weit und wir konnten den Kaufvertrag unterschreiben. Wenige Tage später, am 26. Februar 2022 überführten wir den Triebwagen schließlich von Celle nach Winsen (Luhe) Süd.

Mit dem Kauf des VT 0508 konnten wir unsere Sammlung ehemaliger OHE-Fahrzeuge sinnvoll ergänzen und abrunden. Mit unseren anderen Triebwagen (DT 0502, DT 0504, DT 0511, GDT 0515, GDT 0518 und mit dem 1968 zum Beiwagen umgebauten TA 0350 auch der ehemalige DT 0510) sind wir nun in der Lage einen recht umfassenden Querschnitt des abwechslungsreichen Triebwagenparks der OHE zu zeigen und weitestgehend auch erlebbar machen. Im Gegensatz zu unseren anderen Triebwagen, welche über Umwege bei anderen Privat- oder Museumseisenbahnen zu uns gelangten, durfte der VT 0508, als vermutlich einziger Wismarer überhaupt, immer in seiner Heimat bleiben.

Technische Details

 

Triebwagen (Rahmen und Aufbauten)

 

Hersteller: Waggonbau Wismar

Typ: Hannover A

Baujahr: 1937

Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h

Länge über Puffer: 11.600 mm

Fabriknummer: 20299

Sitzplätze: 57

Dienstgewicht: 6,8 t

Getriebe: Voith PST-2

Achsfolge: 1 A

 

Motor

 

Hersteller: Mercedes Benz

Leistung: 72 PS

Typ: OM 314

 

Nummer im nationalen Fahrzeugregister: 95 80 0301 041-9 D-TEL